Kleines Nachtpfauenauge

Saturnia pavonia




frisch geschlüpftes Männchen


Die Männchen haben orange Hinterflügel und sind etwas kleiner als die Weibchen. Beide Geschlechter besitzen die schönen (und namensgebenden) Augenzeichnungen auf jedem der vier Flügel.


Weibchen, geschlüpft im April 2010

Kleine Nachtpfauenaugen werden (obwohl bei uns heimisch) selten gesehen. Der Grund dafür liegt wohl in ihrer etwas seltsamen Lebensweise:

Die Weibchen sind nachtaktiv und verbringen den Tag unbeweglich an einem bodennahen Zweig sitzend. Ganz untätig sind sie dabei allerdings nicht, sie verströmen über eine Drüse am Hinterleib Duftstoffe (Pheromone), welche die tagaktiven Männchen anlocken sollen. Die Männchen verbringen den Tag damit umherzufliegen, und nach Spuren dieses Pheromones in der Luft suchen. Ihr Flug ist schnell und abrupt und der Falter ist wahrscheinlich schon wieder weg, bevor man ihn richtig bemerkt hat. Die breit gefächerten Fühler der Männchen nehmen eine Duftspur auch noch im Umkreis von 1 km eines lockenden Weibchens auf!


lockendes Weibchen, das auf Herrenbesuch wartet


Die Falter nehmen während ihres maximal 2-wöchigen Lebens keine Nahrung zu sich (sie haben auch gar keine Mundwerkzeuge).

Dankdem es mir im April 2002 gelungen ist, mit einem "meiner" Weibchen ein wildes Männchen anzulocken, bin ich zu Eiern und schliesslich zu Nachwuchs gekommen. Die Paarung der beiden Falter dauerte ca. 2 Stunden, dann wollte das Männchen mit Nachdruck wieder aus dem Kasten mit dem Weibchen, welches ruhig sitzen blieb.


das Locken hat gewirkt: Paarung

Das Weibchen hat in den folgenden zwei Nächten ca. 50 Eier an Brombeerzweige, die ich zu diesem Zweck in den Kasten gestellte hatte abgelegt. Leider ist es in der nächsten Nacht gestorben, aber das ist anscheinend bei Kleinen Nachtpfauenaugen die Regel! Kleine Nachtpfauenaugen-Raupen fressen an Schwarzdorn, Salweide oder eben Brombeerblättern.
Nach ca. 10 Tagen sind aus den meisten Eiern kleine schwarze Räupchen geschlüpft. - Wie ich in späteren Jahren feststellen konnte, dauert die Zeit bis zum Schlüpfen jedoch sehr unterschiedlich, das längste war einmal ein Monat...
Nachdem sie einige Stunden auf den Futterpflanzen umhergewandert waren, fanden sie sich in wenigen grossen Gruppen zusammen und erst dann begannensie zu fressen (und mir fiel ein Stein vom Herzen ). Schön wie's im Buche steht, frassen sie gemeinsam ein Blatt von aussen nach innen ab und liessen dabei die Blattadern stehen.


vor wenigen Stunden geschlüpfte Räupchen,
daneben sieht man die (leeren) braunen Eier und erste Kotspuren - ein gutes Zeichen!


Die Raupen fressen und häuten sich, um wachsen zu können. Sie erhalten dabei mit jeder Häutung ein anderes Aussehen:

   zu Beginn sind sie klein und schwarz
mit kurzen Verästelungen am Körper
   kurz darauf werden sie schwarz und pelzig
   etwas später zeigen sich orange-gelbe Zeichnungen an der Seite,
die Hauptfarbe bleibt aber schwarz
   eine Häutung weiter ist die Musterung schwarz-grün
mit roten Punkten an der Seite
   und nach der letzten Häutung schliesslich grün-schwarz
mit gelben oder orangen Wärzchen

Die Färbung ausgewachsener Raupen ist ebenfalls etwas variabel, einige haben leuchtend gelbe Wärzchen, andere knall-orange. Auch der Schwarz-Grün-Anteil variiert z.T. stark:


bei diesen grünen Raupen fehlt der Schwarzteil fast völlig
(die schwarze Raupe in der Mitte ist eine Häutung hintendrein)

Die Raupen begannen sich ab dem 1. Juni 2002 ihre Kokons zu weben. Die Kokons sind birnenförmig und weisen am oberen Ende eine Ausgangsreuse auf. Durch diese Reuse wird nächsten Frühling der geschlüpfte Falter in die Freiheit kriechen. Im Inneren dieser kunstvoll angelegten Kokons befindet sich die eigentliche Puppe. Die äussere Kokon-Hülle ist erstaunlich hart und bietet einen guten Schutz für die Entwicklung zum Schmetterling, die immerhin 10 Monate oder mehr dauert!
Aufgrund der unterschiedlichen Kokongrössen kann man bereits erkennen, aus welchen später Männchen und aus welchen Weibchen schlüpfen werden (was bei den meisten Schmetterlingsarten nicht möglich ist). Die frisch gewebten Kokons sind weiss, später dunkeln sie nach und werden braun:

 
 
Links zwei eben erst fertig gewebte Kokons, rechts ist der Kokon bereits nachgedunkelt



Grössenunterschiede bei den Kokons:
aus den grossen werden Weibchen schlüpfen,
aus den kleinen Männchen


Somit wären wir wieder am Anfang, d.h. warten auf den nächsten Frühling und die gut 40 Kleinen Nachtpfauenaugen, die hoffentlich aus ihren Kokons krabbeln werden! Die Männchen lasse ich von dannen ziehen, mit den Weibchen werde ich versuchen ein Männchen der wilden Population anzulocken, eine Paarung und schliesslich Eiablage zu erzielen. Dann schlüpfen die Räupchen und - ein endloser Kreislauf also! ;)))

Nachtrag März 2003:

Es ist mir gelungen, den Schlupf eines Kleinen Nachtpfauenaugen-Weibchens mit der Kamera zu verfolgen:




Als erstes ist der weisse Pelzsaum über dem Kopf erkennbar. Der Falter schiebt sich langsam aber stetig vorwärts aus der Puppe (die Kokons hatte ich oben aufgeschnitten, um den Schlüpfvorgang zu vereinfachen). Der Falter sieht anfangs ziemlich grotesk aus mit seinem überdimensional grossen Körper, der zudem noch weich ist und zwischen den Körperringen giftiggrüne Segmente aufweist (auf dem Foto leider schon nicht mehr zu sehen).







Zu den verschiedenen "Pfauenaugen"


Vielleicht ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass es mehrere völlig verschiedene Falter gibt, die den Namensteil "Pfauenauge" tragen:

- Grosses (oder Wiener) Nachtpfauenauge
- Kleines Nachtpfauenauge
- Abendpfauenauge
- Tagpfauenauge

Ausser der Tatsache, dass alle diese Arten eine Art Augenzeichnung auf den Flügeln tragen sind sie - abgesehen von den beiden Nachtpfauenaugen - überhaupt nicht miteinander verwandt, im Gegenteil: die vorwiegend nachtaktiven Nachtpfauenaugen gehören in die Familie der Pfauenspinner (Saturniden), das dämmerungs- und nachtaktive Abendpfauenauge gehört zu den Schwärmern (Sphingiden) und das tagaktive Tagpfauenauge zu den Edelfaltern (Nymphaliden). Diese Familien weisen völlig unterschiedliche Charakteristika auf.

Die Personen, die für die Namensgebung verantwortlich waren, haben meiner Meinung nach einfach etwas wenig Phantasie gezeigt )...



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